Die Biografie der Herrscherin Nofretete und die Stellung der Frau im Alten Ägypten

In meinem letzten Beitrag habe ich den Streit um die Büste der Nofretete thematisiert. Wie in meiner Story angekündigt, geht es diesmal um ihre Biografie und um die Stellung der Frau im Alten Ägypten.
Habt ihr schon einmal etwas über den mystischen Austausch der Nofretete gehört? Welche Rolle spielte der plötzlich auftauchende Herrscher Semenchkare? Ist sie die Mutter des weltberühmten Tutanchamun?
Die Schöne ist gekommen ...
Der Name Nofretete bedeutet im Altägyptischen "Die Schöne ist gekommen". Doch woher sie gekommen ist, ist eines der größten Rätsel der Ägyptologie. Ihre Herkunft ist unbekannt, daher gibt es viele Spekulationen von Wissenschaftlern, die beispielsweise ein und dieselbe Quelle unterschiedlich interpretieren und deuten. Nicht nur ihre Herkunft ist umstritten, sondern auch ihr Verschwinden - dazu später mehr.
Nofretete und Echnaton herrschten im Neuen Reich (18. Dynastie) zusammen. Sie wurden schon im jungen Alter miteinander verheiratet. Kurz nach der Hochzeit wurde Echnaton Pharao.
Sie war die wohl einflussreichste Frau ihrer Zeit und verstand es, ihren Mann und damit auch Ägypten zu lenken. Im fünften Regierungsjahr wurde ihr Name sogar von einer Kartusche (ovale Umrahmung eines Königsnamens in Hieroglyphentexten) umrandet. Diese Umrahmung ihres Namens bedeutet „Schönheit des Aton“. So ein Privileg stand eigentlich nur dem Pharao zu. Echnaton ernannte Nofretete sogar zur gottgleichen Königin. Eine der Besonderheiten Nofretetes ist, dass sie neben Echnaton ebenfalls Teil der Triade, die drei Götter an der Spitze der Götterschar, war. Ihr könnt euch die Triade als Triangel vorstellen, an deren Spitze der Hierarchie der Sonnengott Aton steht. Links und rechts befanden sich Echnaton und Nofretete. Ihr Einfluss war so groß, dass sie sogar an Ritualen beteiligt war, an denen bis dahin nur der Pharao teilnehmen durfte.
Nofretete brachte sechs Töchter zur Welt, von denen eine aufgrund einer Epidemie starb. Es gibt viele Wandmalereien, die Nofretete als trauernde Mutter darstellen. Zwischen den eben erwähnten Malereien wurde eine gefunden, die Nofretete und Echnaton mit einem kleinen Jungen darstellt. Aufgrund dieser Wandmalereien nahmen viele Wissenschaftler an, dass Nofretete die Mutter des weltberühmten Tutanchamun war. DNA-Analysen bestätigten jedoch, dass dies nicht so ist. Sicher ist, dass der Pharao Echnaton der Vater ist, die Mutter jedoch ist eine seiner Nebenfrauen. Die eben beschriebene Periode ihres Lebens zeichnete sie sehr, denn sie musste sich damit abfinden, dass sie eine ihrer geliebten Töchter verlor und dass sie nicht den ersehnten Thronfolger zur Welt brachte. Obwohl die Mumie der Mutter Tutanchamuns gut erhalten ist, konnten Ägyptologen nicht herausfinden, woran sie gestorben ist. Nofretete nutzte jedoch den Tod der Mutter des Thronfolgers, um ihre eigene Macht zu sichern. Sie akzeptiert den jungen Tutanchamun und zieht ihn auf, als ob er ihr eigener Sohn wäre. Um ihr Machtstreben noch weiter zu vertiefen, arrangierte sie die Heirat zwischen ihrem Stiefsohn und ihrer Tochter. Dadurch konnte sie sich auch ohne leiblichen Sohn ihre Nachfolge in der königlichen Blutlinie sichern. Dadurch wird Nofretete zugleich Tutanchamuns Stiefmutter und Schwiegermutter.
Im Jahr vor dem Tod Echnatons wurde sie offiziell zur Mitregentin erhoben. Ab diesem Zeitpunkt war ihr Namenszusatz als herrschende Pharaonin Ankhkheperure Neferneferuaton.
Kurzer Exkurs zum Pharao Echnaton

Im Alten Ägypten ist der Pharao nicht nur ein König, sondern auch ein Gott. Aus diesem Grund wurde Echnaton als Repräsentant Gottes verehrt. Zu Beginn seiner Herrschaft gab es mehrere Götter, die die Ägypter anbeteten - jedoch nicht lange, denn kurz nach seiner Machtübernahme kam es zu einem Wendepunkt der ägyptischen Geschichte. Dies war nicht nur ein Wendepunkt der ägyptischen Geschichte, sondern auch einer der Weltgeschichte. Echnaton hat nämlich den Sonnengott Aton zum einzigen Gott ernannt. Dadurch haben die bisher angebetenen Götter und ihre Priesterschaft ihren Einfluss verloren. Viele Forscher stufen Echnatons Eingottglaube als ersten Monotheismus ein.
Der einzige Gott, dem von nun an die Aufmerksam gebührte, war der Sonnengott Aton. Aton wurde mittels einer Sonnenscheibe dargestellt. Echnaton galt gegen Ende seiner Herrschaft als größter Ketzer, den Ägypten jemals hatte. Sein Vermächtnis wurde durch die von ihm unterdrückte Bevölkerung nach seinem Tod fast vollständig zerstört.
Fortsetzung Nofretete
Im 12. Regierungsjahr Echnatons verschwand Nofretete plötzlich aus den Quellen. Ihr unerwartetes Verschwinden kann man als Hinweis auf ihren Tod oder einer Verstoßung vom Hof interpretieren. Laut den Berechnungen der Wissenschaftler müsste sie im Alter von 25-30 Jahren gestorben sein. Dennoch stellen viele Büsten der Nofretete eine deutlich ältere Frau dar. Wie kann das sein?
Es gibt unzählige Theorien, die über ihren Tod, ihre Alleinherrschaft, ihr Verschwinden, ihre Verstoßung vom Hof etc. berichten. Ich persönlich bevorzuge und unterstütze die Theorie vom britischen Ägyptologen Carl Nicholas Reeves. Er widmete sich sein Leben lang der Amarna-Zeit (das ist die Zeit, zu der Nofretete lebte) und dem Tal der Könige, wo sich hauptsächlich die Gräber der Herrscher des Neuen Reiches (18. bis 20. Dynastie) befinden. Laut seiner Theorie war Nofretete nach dem Tod Echnatons die Alleinherrscherin unter dem Namen Semenchkare. Viele gefundene Inschriften bestätigen, dass Nofretete nicht im 12. Regierungsjahr Echnatons gestorben ist (oder vom Hof verstoßen wurde). Ihre Macht vergrößerte sich sogar. Eine der zahlreichen Quellen, die seine Theorie belegen, werde ich genauer beschreiben. Ich habe mich für die Amarna-Stele entschieden. ↓↓

Auf der Amarna-Stele sind Echnaton und sein Nachfolger Semenchkare abgebildet. Man sieht, wie sie beim Essen Zärtlichkeiten austauschen. Sehr viele Wissenschaftler, nicht nur Nicolas Reeves, sehen in Semenchkare jedoch Nofretete. Sie stützen dies darauf, dass beide abgebildeten Personen die blaue Doppelkrone tragen. Auch die weltberühmte Büste der Nofretete trägt diese blaue Doppelkrone. Diese Krone stand nur Pharaonen und nicht auch ihren Frauen zu. Daraus schließen die Forscher, dass der auf der Amarna-Stele abgebildete "Semenchkare" in Wirklichkeit Nofretete ist.
Ein weiterer Hinweis sind die sieben abgebildeten Kartuschen. Zwei Kartuschenpaare auf der linken und rechten Seite der Sonnenscheibe beziehen sich auf Aton, um ihn in vier Kartuschen mit allen Beinamen (Epitheta) zu rühmen. Der Pharao Echnaton besaß zwei Kartuschen und Nofretete eine.
Zahlreiche Ägyptologen sind der Meinung, dass Nofretete ihren Namen in Semenchkare änderte. Der Hauptgrund für die Änderung waren die Reformen Echnatons und dessen Konflikte mit Priestern. Durch einen anderen Namen würde sie keine sichtbare Verbindung zu Aton aufweisen. Semenchkare nutzte außerdem auch den gleichen Thronnamen wie Nofretete (Anch-Chepru-Re). Dies ist äußerst unüblich, denn in der Regel waren Thronnamen einzigartig und wurden nicht weitergegeben.
Die Reeves Theorie
Ich habe die Reeves-Theorie in diesem Beitrag nur angeschnitten, weil ich sonst den Rahmen sprengen würde. Solltet ihr mehr darüber wissen wollen, dann schreibt mir einfach auf Instagram oder nutzt die E-Mail Funktion.
Die Stellung der Frau im Alten Ägypten
Die Stellung der Frau im Alten Ägypten war im Vergleich zu anderen Kulturen der damaligen Zeit besonders privilegiert. Die Frau war dem Mann nämlich gleichgestellt und ihre Lebenswelt wurde nicht minder geachtet. Dies spiegelt sich auch in künstlerischen Darstellungen von Frauen wider, denn sie haben die gleiche Größe wie Männer, um Ebenbürtigkeit zu suggerieren. Außerdem können wir von künstlerischen Darstellungen auch den Zuständigkeitsbereich der Geschlechter herauslesen. Männer und Frauen wurden mit unterschiedlichen Hautfarben abgebildet. Männer wurden mit einer dunkelbraunen Haut dargestellt, da sie Berufe außerhalb des Hauses hatten. Frauen hingegen wurden mit einer gelben Haut gemalt, da ihre Tätigkeiten eher den Hof/das Haus betrafen.
Obwohl die Frauen damals gleichgestellt waren, wurden sie stets von den männlichen Mitgliedern der Familie definiert. Sie sind entweder Königstochter oder Gemahlin des Königs/Mutter des Königs.
Man weiß leider kaum etwas über die Stellung der Frau in ärmeren Verhältnissen, weil die Quellen nur von der Oberschicht stammen.
Die juristische Sicht
Juristisch gesehen war die Frau im Alten Ägypten dem Mann gleichgestellt und genoss bestimmte Grundrechte. Schon zu Beginn des Alten Reichs hatte die Frau ein Recht auf Eigentum. Hierbei möchte ich betonen, dass nicht zwischen verheirateten und ledigen Frauen unterschieden wurde. Das Recht auf Eigentum bedeutet, dass ihr Besitz nach der Heirat nicht zum Besitz des Mannes wurde.
In Erbschaftssachen wurde ebenfalls nicht zwischen den Geschlechtern unterschieden. Sowohl die Ehefrau als auch die Tochter konnte von ihrem Gatten/Vater erben. Bemerkenswert ist auch, dass die ägyptische Frau keinen gesetzlichen Vormund hatte, wie das zum Beispiel bei den Römern der Fall war.
Frauen durften vor Gericht als Zeuginnen fungieren und selbst einen Prozess führen. Nicht einmal beim Ausmaß von Strafen wurde zwischen den Geschlechtern unterschieden.
Die Ehe
Bei der Eheschließung gab es keine bestimmte juristische oder religiöse Zeremonie. Ausschlaggebend war der Einzug der Frau in den Haushalt des Mannes oder umgekehrt. Es gab keinen Vertrag, der die Ehe bestätigte. In der ägyptischen Spätzeit traten immer häufiger Eheverträge auf, die für die damalige Zeit erstaunlich fortgeschrittene Bestimmungen zur sozialen und finanziellen Absicherung der Frau enthielten.
Die Wahl des Ehemannes erfolgte im Vergleich zu den Griechen freiwillig. Die Eltern spielten dabei nur die Rolle des Vermittlers. Mädchen durften ab dem 12. Lebensjahr heiraten, die Knaben erst mit 20. (Erklärung zum Altersunterschied folgt beim Kapitel Ausbildung und Erziehung)
Die Ehe veränderte nicht die gesellschaftliche Position der Frau. Der Ehemann, der das Schutz- und Sorgerecht für die Frau von ihrem Vater erhielt, wurde dadurch nicht zu ihrem Vormund. In den Schriften des Weisheitslehrers Ptahhotep wird die Achtung und Verehrung der Ehefrau gefordert.
Geschwisterehen waren für nicht königliche Familien unüblich, obwohl dies ein weitverbreiteter Irrglaube ist. Zu diesem Irrglauben kommt es, weil die gegenseitige Bezeichnung der Eheleute untereinander übersetzt „Bruder“ und „Schwester“ bedeutet. Dies hat jedoch keine Verbindung zu den biologischen Geschwistern, sondern findet ihren Ursprung bei der Welt der Götter.
Für königliche Familien war die Geschwisterehe ein Mittel, um die dynastische Erbfolge der Familie aufrechtzuerhalten und deswegen weit verbreitet. Diese Art der Eheschließung kam nur zustande, wenn die Geschwister nicht dieselbe Mutter hatten. Der Grund dafür ist die Annahme, dass das Herz und somit auch der Sitz für Gefühle, Charakter und Verstand von der Mutter kamen.
Das hohe Ansehen der Frau wurde mit der Fähigkeit, Kinder in die Welt zu setzen, begründet. Eine Frau konnte ihr Ansehen nur wahren, indem sie Kinder bekam. Sollte sie nach einem Jahr Beziehung immer noch nicht schwanger sein, so wurde sie zum Gespött der Familie und Nachbarschaft. Nicht nur das Ansehen der Frau hing von ihrer Fruchtbarkeit ab - sondern auch jenes des Ehemannes. Das Ansehen des Gatten stieg nämlich mit der Anzahl der Söhne/Kinder. "Egal ob Königin oder Bäuerin, die ägyptische Frau war vor allem Mutter."
Sollte es in der Ehe zu Konflikten kommen, war auch die Frau berechtigt, eine Scheidung zu beantragen und wurde grundsätzlich sogar bevorzugt behandelt. Ein Scheidungsgrund für den Mann war die Kinderlosigkeit in der Ehe. Dafür wurde die Frau verantwortlich gemacht.
Trotz Vielehen konnten auch Männer für Ehebruch bestraft werden. Die Strafe fiel besonders hart aus, wenn dieser mit einer verheirateten Frau verkehrte. Nach einer Ehescheidung oder nach dem Tod des Ehemannes durfte die Frau, genauso wie der Mann, eine zweite Ehe eingehen.
Ausbildung und Erziehung
Bei der Ausbildung wurden die Jungen bevorzugt. Das mangelnde Interesse an der Mädchenausbildung liegt nicht daran, dass Mädchen nicht zur Schule gehen durften, sondern daran, dass sie früh heirateten und sich aus diesem Grund um ihren eigenen Haushalt und ihre Familie kümmern mussten.
Neben der Speisezubereitung und Kinderbetreuung, zählten auch handwerkliche Arbeiten im Haushalt zu ihrem Aufgabenbereich. Mit ihrem handwerklichen Geschick hatten sie die Möglichkeit, am Markt zusätzliches Geld zu verdienen, um dieses zum Familieneinkommen beizusteuern. Im Alten Ägypten haben Männer und Frauen für die gleiche Arbeit die gleiche Entlohnung bekommen. In diesem Punkt sind sie sogar fortgeschrittener als wir heute.
Den Frauen war es nicht gestattet, sich in den Strukturen der Bürokratie einzuordnen. Deshalb wurden die Knaben zu Schreibern ausgebildet. Privatlehrer unterrichteten in Lebenshäuser (= eine Institution, die die Funktionen eines Skriptoriums und einer Bibliothek wahrnahm), in denen neben den wohlhabenden Schichten auch Mädchen und Knaben aus ärmeren Verhältnissen willkommen waren. Die Grundkenntnisse der Mathematik und des Schreibens lernten Mädchen dennoch meistens von ihren Müttern.
Die wichtigste und einflussreichste Position, die eine bürgerliche Frau je erreichen konnte, war jene der Amme des Königs. Eine Frau konnte durch ihre enge Beziehung zur Königsfamilie den Männern ihrer Familie zum Aufstieg in die Bürokratie verhelfen. Die Kinder der Amme des Königs wuchsen mit dem König auf und waren Milchbrüder.
Herrscherinnen
Ägyptische Herrscherinnen hatten mehr Macht als in allen anderen Kulturen. Der Herrscherin wurde nämlich, wie dem Pharao, eine göttliche Funktion zugeordnet. Ihre göttliche Funktion war folgendermaßen begründet:
"Aber auch der Mythos um die göttliche Geburt des Königs belegt den göttlichen Aspekt des Königs. Bei diesem Szenario empfing die Königsmutter den König durch den Gott und trat hierbei sogar in direkten Kontakt mit der Gottheit, also ohne den vermittelnden König. Der König wurde dadurch ein Sohn des Gottes, was wiederum die Basis seiner Funktion als Vermittler zwischen der göttlichen und der menschlichen Welt bildete du ihn in seiner Herrschaft legitimierte."
(Exkurs Nofretete: Im oben eingefügten Zitat wird die göttliche Funktion der Herrscherinnen ausführlich beschrieben. Mit dem Exkurs zu Nofretetes Biografie möchte ich euch darauf aufmerksam machen, dass Echnaton sie zur gottgleichen Königin ernannte. Dadurch hatte sie nicht nur die göttliche Funktion des Kindergebärens, sondern war für die Bevölkerung eine Göttin).
Herrscherinnen hatten sogar eigenes Land und durften auch den Dienst von Männern in Anspruch nehmen. Zu den wichtigsten Insignien der Königinnen zählten die Geierhaube und die Uräusschlange. Die Geierhaube wurde von der oberägyptischen Göttin Nechbet getragen. Den Kopf des Geiers konnte man durch die königliche Kobra, der Uräusschlange, ersetzen. Wadjet/Uto war die Göttin Unterägyptens und symbolisiert die Uräusschlange. Die Uräusschlange war ursprünglich das wichtigste Attribut des Königs. Indem die Königin die Kobra trägt symbolisierte sie ihre persönliche Verbindung zum König. Außerdem war die Uräusschlange der Ausdruck ihrer Königswürde.